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1774 pages, Paperback
First published January 1, 1930
Revolutionary views? I’m afraid I must admit that I’m by no means an out-and-out opponent of revolutionary views. Short of an actual revolution, of course.
The hospital aide clothed in lily-white, who, with the help of acids, thins out a patient’s stool in a white china dish in order to obtain a purple smear, rubbing it until the right hue rewards her attention, is already living, whether she knows it or not, in a world more open to change than is the young lady who shudders at the sight of the same stuff in the street.
For the moment one begins to take anything, no matter how foolish or tasteless, seriously and puts oneself on its level, it begins to reveal a rationale of its own, the intoxicating scent of its love for itself, its innate urge to play and to please.
Alles, was Ulrich im Lauf der Zeit Essayismus und Möglichkeitssinn und phantastische, im Gegensatz zur pedantischen Genauigkeit genannt hatte, die Forderungen, daß man Geschichte erfinden müßte, daß man Ideen-, statt Weltgeschichte leben sollte, daß man sich dessen, was sich nie ganz verwirklichen läßt, zu bemächtigen und am Ende vielleicht so zu leben hätte, als wäre man kein Mensch, sondern bloß eine Gestalt in einem Buch, von der alles Unwesentliche fortgelassen ist, damit sich das übrige magisch zusammenschließe, – alle diese, in ihrer ungewöhnlichen Zuspitzung wirklichkeitsfeindlichen Fassungen, die seine Gedanken angenommen hatten, besaßen das Gemeinsame, daß sie auf die Wirklichkeit mit einer unverkennbaren schonungslosen Leidenschaft einwirken wollten.
Everything that Ulrich had called over time essayism and the sense of possibility, as opposed to the pedantic accuracy, the demands that you should have to invent history, that you should live ideas- rather than world-history, that you should seize which can never be quite realized, and perhaps to live at the end not like a human, but merely like a character from a book, omitted from all non-essential to ensure that the rest magically comes together, - all these, in their unusual worsening reality hostile versions that had adopted his thoughts, had this in common, that they wanted to act on reality with an unmistakable relentless passion.Ulrich's settings will change later on, after he's reunited with his long lost sister Agathe.
[translated by me]
»Es gibt keinen anderen lebenden deutschen Schriftsteller, dessen Nachruhm mir so gewiß ist.«
»There is no other living German writer whose posthumous fame is as certain to me.«Unfortunately this prophesy didn't work out for Musil. But it should have.
[translated by me]
Jeder handelt anders als er denkt und seine Überzeugung ist. Denn kein Mensch kann in irgend einer Sache eine wirkliche Überzeugung haben, weil unsre Lebensumstände ihre Bildung gar nicht zulassen. Der Satz vom Fehlen des zureichenden Grundes regiert das Geschehen.Der Mann ohne Eigenschaften unvollendetes Mammutwerk, berühmt aber vermutlich kaum gelesen – eine echte Herausforderung für jeden Leser. Aber lohnt sich die Lektüre von hunderten Seiten überhaupt, in Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie, wo Zeit zu einer immer knapperen Ressource zu werden droht? Darauf lässt sich keine unterkomplexe Antwort finden. Man könnte mit guten Argumenten für die Investition einer bedeutenden Menge Lesezeit argumentieren, genauso gut könnte man mit stichhaltigen Argumenten dagegenhalten. Schließlich gibt es ja nicht einmal einen vernünftigen Schluss des Romans, auf den man als vernünftiger Leser berechtigterweise einen Anspruch erheben kann. Wie man es dreht und wendet, eine durch und durch komplizierte Angelegenheit. In dieser Vertracktheit der allgemeinen Verhältnisse, daselbst die Entscheidung für ein bestimmtes Buch ein jonglieren mit mehreren Möglichkeiten erfordert, liegt geradewegs der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte vom Mann ohne Eigenschaften. Denn die Welt war im Jahr 1913 nicht minder kompliziert, als sie uns heute erscheint. Robert Musil erzählt von einer Gesellschaft, die sich einem rasanten technischen und kulturellen Fortschritt ausgesetzt sieht, der für einen einzelnen Menschen aber intellektuell unbeherrschbar geworden ist. Ein Zuviel an Gefühls- und Lebensmöglichkeiten resultiert in einer Überforderung und einem verbreiteten Überdruss an sich selbst. Robert Musils Figuren sind exemplarische Vertreter ihrer Epoche, einer gefühlten Verfallszeit an einem Endpunkt der Geschichte. Fast zwanghaft sucht ein jeder von ihnen nach einem Ausweg, einer Erlösung aus dem Zustand der emotionalen Dauerkrise. Etwas muss geschehen, aber was ist unklar.
»Das heißt, es muß etwas geschehen,« sagte er »das verlangt unsere Zeit. Dieses Gefühl haben heute sozusagen alle Menschen, nicht nur die politischen. Die Zeit hat so was Interimistisches, was auf die Dauer niemand aushält.«Die einen suchen ihr Heil in einer großen staatspolitischen Aktion (Parallelaktion), können sich aber kaum auf ein gemeinsames Ziel einigen, andere ergeben sich dem Wahn einer Vereinigung von Nietzsche und Christus in ihrer Person (Clarisse) oder flüchten sich ins Tausendjährige Reich der Gefühle (Ulrich und Agathe). Sie eint die Sehnsucht nach einer festen Ordnung, einem Fixpunkt im Meer der Unübersichtlichkeit. Musils Kakanien zeigt uns die Gesellschaft der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, am Vorabend der großen europäischen Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Er lässt in seinem Roman eine untergegangene Welt wieder auferstehen und versucht die Umstände auszuloten, welche ihren Zerfall herbeigeführt haben. Man muss leider konstatieren, dass er an dieser Aufgabe in grandioser Weise gescheitert ist. Am Ende hat er den Deckel einfach nicht mehr auf den überquellenden Topf bekommen. Davon legt nicht nur der fehlende Schluss des Romans beredtes Zeugnis ab, sondern auch die unzähligen Versuche von Neuansätzen, Fortsetzungen, Zwischenfortsetzungen, Ergänzungen und Vorstufen. Ich gestehe ich habe sie alle gelesen. An einem bestimmten Punkt verselbständigt sich dann das Unterfangen, man liest halt einfach immer weiter. Genau darin liegt auch die Stärke von Musil, denn sein essayistischer Stil verlangt nicht unbedingt nach einer durchgehen stringenten Handlung, der zu folgen wäre. Wenn man einmal den gröberen Rahmen verstanden hat, kann man sich ohne Bedenken in ein beliebiges Kapitel versenken. Dabei zeigt sich Musil jederzeit auf der wissenschaftlichen Höhe seiner Zeit, Politik, Ökonomie, Philosophie, Psychologie, Physik – alles Themenfelder, die in sein Werk eingegangen sind. Das er am Ende daraus nicht mehr zu einem Ganzen zurückgefunden hat, ist misslich, aber schmälert nicht seine erbrachte Leistung. In der Unvollendetheit des Romans drückt sich eigentlich genau jene Undurchsichtigkeit und Unbeherrschbarkeit der Moderne aus, über die er schreibt und der wir heute genauso ratlos gegenüberstehen.
Eine Zeit, in der alles erlaubt ist, hat noch jedesmal die in ihr gelebt haben unglücklich gemacht.