Maximilian Buddenbohm's Blog
September 7, 2025
Podcast-Geschichten, Links und ein Event
Im öffentlichen Bücherschrank liegt am Sonntag eine abgegriffene und angemoderte Gesamtausgabe von Goethes Werken. Die Bände stehen am frühen Morgen sogar noch in der richtigen Reihenfolge, wurden wohl am Abend gebracht und nicht schon von hundert Händen zerwühlt. Daneben lehnt ein Titel aus jüngerer Vergangenheit, mit deutlich bunterem Einband: „Twitter – in 140 Zeichen ins Web 2.0“.
Tempi passati, das alles. Man kann es bei vielen Büchern in diesem Schrank murmeln, es passt schon. Wobei der Goethe auch weiterhin mehr Gültigkeit und Lesbarkeit bewahren wird. Denn das ist seiner Werke Kern.
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Eine empfehlenswerte Radiosendung aus der Reihe „Essay und Diskurs“ habe ich gehört. Was übrigens ein Titel ist (siehe auch „Sein und Streit“), der nach öffentlich-rechtlicher Herrlichkeit mit einem längst historisch gewordenen Sinn und Anspruch klingt. Man möchte fast wieder rauchen, am besten Pfeife, wenn man solche Formattitel sieht. Und zumindest kurz möchte man die Welt vielleicht doch noch einmal in Schwarzweiß sehen.
„Fortschrittsversprechen – Notizen aus der verkrempelten Welt“. Gabriel Yoran spricht über komplizierter werdende Dinge, bündig und auf den Punkt gebracht. Ich halte das aber ohnehin für ein verdammt gutes, weitführendes Thema.
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Nils Minkmar schreibt in seinem Newsletter eine Geschichtspodcastgeschichte, nämlich die über den Erfolg, Abbruch und (hoffentlich erfolgreichen, die besten Wünsche dazu) Neustart seines Projektes „Was bisher geschah“ mit Joachim Telgenbüscher. Das hier auch schon mehrfach vorkam und verlinkt wurde.
Und bei Nils Minkmar kommt, noch so ein wilder Zufall, schon wieder der eben erst erwähnte Gabriel Yoran vor.
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Ich hörte außerdem im KI-Podcast in der ARD-Audiothek die Folge über Entscheidungsfindung beim Menschen und bei Software. Was dummerweise auch interessant ist und einen also erneut auf Abwege führt. Jedenfalls einen wie mich. Da fällt etwa der magisch anziehende Begriff „Decision Fatigue“, und dazu lese ich dann etwas nach, hier zunächst nur in der Wikipedia, aber ich sehe dabei schon, dass man noch viel mehr dazu lesen könnte … Manchmal ist es wirklich schlimm, wie wenig Zeit so ein Sonntag bietet.
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Mit Sendungen, die man hören kann, bin ich heute und in den nächsten Wochen blogmäßig auch sonst verbandelt, denn ich weise per Banner, siehe unten, auf eine Hamburger Veranstaltung zum Thema hin. Die erstens von mir bekannten Menschen organisiert wird, die zweitens auch noch vor meiner Haustür stattfindet, im ohnehin sehenswerten Hansa-Varieté-Theater (wo gerade Tim Fischer auftritt, sehe ich nebenbei, und da müsste man auch hin, aber wann), und die drittens von mir gehörte Podcasts im Programm hat: Die erste Hamburger Podcastnacht. Veranstaltet von der Hamburg Open Online University, die hier auch schon einmal im Blog vorkam und empfohlen wurde.
Die Veranstaltung findet am 13. Oktober statt, 18:30. Es gibt auch eine Seite dazu, mit weiteren Infos zu den fünf teilnehmenden Podcasts aus der Stadt und zum Ticketkauf.
Ich werde mir, wenn mir nicht vorher der Himmel auf den Kopf fällt, das ansehen und dann berichten. Für das Banner unten allerdings fließt etwas Geld, weswegen gleich auch korrekterweise Werbung darüberstehen wird.
In der Bebilderung, und jetzt komme ich zum mit großem Abstand absurdesten Zufall des Tages, fand ich das Thema allerdings zunächst etwas herausfordernd. Ich hatte kein Foto parat, das zu Podcasts zu passen schien. Ich ging daraufhin mit der vagen Absicht spazieren, etwas irgendwie Geeignetes zu finden – und boom. Also manchmal …
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September 6, 2025
Undinen und Sirenen
Etwas Ruhe wäre nett gewesen bei und nach dem Eintritt des gestern beschriebenen Desasterdreiklangs der letzten Tage. Aber die Inszenierung des Sommers wurde im Gegenteil in der letzten Woche noch einmal hochgejazzt zur hoffentlich finalen Kakophonie der Saison.
Die Häuser gegenüber wurden abgerissen, nun geht es dort in die Tiefe. Die aber ist noch aus den vergangenen Jahrzehnten betoniert, asphaltiert und vermauert, wogegen mit schwerem Gerät vorgegangen wird. Nach ein paar Stunden fühlt es sich an, als würde der Presslufthammer auf der eigenen Schädeldecke aufgesetzt.
Dazu Hubschrauber über unserem Dach. Immer wieder Hubschrauber, sie fliegen gar nicht mehr weg. Sie sind auch ungewöhnlich dicht und stehen bemerkenswert lange an einem Punkt. Wie an den Himmel gepinnt, was machen die da eigentlich.
Ich sehe in den lokalen Medien nach und sehe: In den Flüssen sterben die Leute. Mit einer etwas unfassbaren Regelmäßigkeit tun sie das in dieser Stadt, als würden wie in der Romantik nach wie vor Undinen in die Gewässer locken und winken. Was auch deswegen passt, da über den ganzen Sommer gesehen stets besonders viele Jünglinge betroffen sind. Aber nicht nur.
In querschießender Assoziation fällt mir ein, dass junge Frauen in dieser Stadt gerade, einer Laune der Mode folgend, wieder vermehrt Seidentücher um die Hälse tragen. Weswegen ich, in zugegeben absurd anmutender Verbindung der Ereignisse, einen Schubert-Ohrwurm habe, nämlich des Baches Wiegenlied. In welchem der Bach den Jüngling empfängt („Will betten dich kühl auf weichem Pfühl“) und durchaus behalten möchte, wobei dann aber die Schönheiten am Ufer zu stören drohen. Weswegen gesungen wird:
„Hinweg, hinweg von dem Mühlensteg!
Hinweg, hinweg, böses Mägdelein,
dass ihn dein Schatten, dein Schatten nicht weckt.
Wirf mir herein dein Tüchlein fein,
dass ich die Augen ihm halte bedeckt.“
Haben Sie übrigens gewusst, dass der geschätzte Hannes Wader Stücke von Schubert/Müller einmal eingesungen hat? Wofür er sogar noch einmal in fortgeschrittenem Alter Gesangsstunden genommen hat, da er von der Ausbildung her nun einmal nicht Kammer-, sondern eindeutig Straßensänger ist?
Ich mag das, was dabei herausgekommen ist. Es ist auf eine ansprechende Art gekonnt, aber nahbar unperfekt.
Hier als YouTube-Link und nachfolgend auch eingebettet.
Vermutlich habe ich jedenfalls wegen der lockenden Flüsse, die durch diese Stadt eilen, die ganze Kindheit der Söhne über ungewöhnlich viel Mahnendes über das Baden in fließenden Gewässern aufgesagt. Während in jedem Sommer wieder alle zwei, drei Tage entsprechende Meldungen zu lesen waren. Und mehrfach in den letzten Jahren Rekorde gebrochen wurden, was die Anzahl der Opfer betraf.
Aber wie auch immer. Es hat Großeinsätze zur Folge, wenn so etwas passiert, und gleich zwei davon gab es gerade in direkter Nähe. Einen nahezu in Sichtweite, vielleicht zweihundert Meter weiter.
Darüber hinaus aber noch mehr Sirenen von Polizei und Feuerwehr als ohnehin schon, es muss etwas in der Luft sein. Vielleicht ist es besonders schwül oder auf eine andere Art meteorologisch seltsam. Jedenfalls fahren die Leute hier noch irrer als ohnehin schon, sie hupen auch mehr und sie drohen sich noch öfter Schläge an. Sie beschimpfen sich mehr, kommen sich in die Quere und bekommen sich auf alle denkbaren Arten in die Haare.
Wie in einer Science-Fiction-Handlung, bei der nichts anderes passiert, als dass die menschliche Aggression aus unerfindlichen Gründen weltweit allmählich steigt und steigt und immer weniger Menschen sich noch im Griff behalten können. In der die Schranken der Zivilisation also langsam hochgehen und darunter etwas hervorbricht, von dem man sich keinen Begriff machen möchte. Und worüber sich die Menschen dann kaum noch austauschen können, ohne sich zwischendurch eine zu langen.
Schon wieder Geschrei vor dem Haus, noch während ich dies schreibe. Ich hänge mich aus dem Dachfenster und sehe mir die Tobenden da unten an. Ein Lieferwagen hat für eine Minute die Straße blockiert, man eskaliert wild um ihn herum. Ich brülle von oben die Streitenden an der Straßenecke an, ob sie sich gefälligst woanders die Schädel einschlagen könnten. Ich werfe Bücher, Besteckteile und Vasen nach ihnen.
Nein, das tue ich natürlich nicht. Aber es wäre mir gerade danach.
Tausende Menschen aus Indien ziehen dann auf meiner Spaziergangsstrecke an mir vorbei. Sie tanzen und singen und feiern irgendwas, das ich allerdings später erst nachsehen muss: Ganesha wird zelebriert (Wikipedia-Link). Ganesha ist unter anderem auch der Gott der Hindernisse, ich lese es nicht ohne eine gewisse Bitternis.
Die Innenstadt ist davon abgesehen voll wie zu Weihnachten. Ich kann es mir gar nicht recht erklären, wie kommt das jetzt wieder? Und was habe ich alles verpasst.
Vielleicht bleibe ich einfach bei dem sich gerade so oft anbietenden Satz hängen. Vielleicht werde ich doch noch in Frieden vollkommen verrückt und murmele in den mir noch verbleibenden Jahren unaufhörlich brabbelnd den Standard vor mich hin: „Was ist hier eigentlich los, was ist hier eigentlich los.“
Oder aber, das ist zumindest theoretisch ebenfalls denkbar, es wird irgendwann auch wieder ruhiger da draußen. Wenn es etwa endlich regnet. Das wird es bald tun, sagt der Wetterbericht immerhin. Wenn es außerdem kühler wird. Wenn die Nächte frischer werden, wenn der Nebel steigt, wenn die Blätter fallen und die Vögel ziehen. Und all das.
Vielleicht dann.
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Ich sah ansonsten zur Beruhigung eine arte-Doku über Michael Caine. Wie erleichternd ich es immer finde, wenn sich bei solchen Sendungen die Hauptfigur nicht als Unsympath erster Klasse herausstellt und man in den Kommentaren nicht lavierend um ihre Untaten herum spricht.
Die Sendung hier als arte-Link.
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September 5, 2025
Dreiklang der Desaster
In der letzten Woche habe ich an einem Tag nicht gebloggt, es fiel vielleicht auf. Das lag an einer satiretauglichen, nicht mehr glaubwürdigen Zuspitzung von Problemen im nichtblogbaren Bereich, es könnte sich auch demnächst wiederholen. In diesem Bereich gibt es fast nie gleichmäßige Verlaufskurven, sondern manchmal lächerlich anmutende Eskalationsachterbahnen. So dass immer mal wieder alles seltsam überzogen wirkt, unbemüht ausgedacht und arg klischeemäßig zusammengeklöppelt. Sie kennen es vielleicht von ihren Problemen, ich möchte es fast annehmen.
Man kennt das erlebte Szenario jedenfalls als Muster auch aus etlichen Filmen oder Serien und Romanen der heiteren Art. In denen die männliche Hauptfigur beispielsweise morgens erfährt, dass ihn die Ehefrau wegen des Gärtners oder einer anderen Figur verlässt, mit einer Figur jedenfalls, die irgendwie besonders wirken soll. In denen er im Laufe des Tages dann Knall auf Fall auch seinen Job verliert und er auf dem Heimweg schließlich sieht, wie der Blitz in sein Haus einschlägt und es komplett abfackelt. Alles in den ersten zehn Minuten, ein etwas alberner Dreiklang des Untergangs und der Desaster also.
Solche Abläufe meine ich. Wobei in meinem Fall die Frau, der Job und das Haus im Moment noch da sind, ich suche nur Beispiele. Das Gemeine ist nun aber, also als Steigerung der Gemeinheit aller einzelnen und ohnehin garstigen Begebenheiten, dass man bei einem Film, der so losgeht, eine recht eindeutige Happy-End-Erwartung hat und auch zu Recht einen einigermaßen vorhersehbaren Spannungsbogen erwartet.
Da aber macht die Wirklichkeit dann nicht mehr zwingend mit. Da möchte sie sich auf einmal kapriziös und unberechenbar geben, die olle Zicke von Realität. Mit erwartbaren Handlungsverläufen hat sie es nämlich nicht so. Nur mit jederzeit erwartbaren, aber unverbundenen Einzelsequenzen, lose eingestreut in die Wirrnis des Alltags. Und manchmal eben eher mit der Schippe geschmissen.
Wäre der Verlauf von allem klarer und etwas vorhersehbarer, wir wären hier wohl schon wesentlich weiter (der Autor blättert an dieser Stelle unruhig im merkwürdig unleserlichen Drehbuch, ringt die Hände und flucht leise, aber für seine Verhältnisse bemerkenswert ordinär, vor sich hin).
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Im Kontrastprogramm, man kann sich auch nicht immer nur um Erlebtes kümmern, zumal das keinen Spaß macht, hörte ich einen Podcast zum schönen Thema Langeweile, und zwar 22 Minuten zur Entromantisierung des Themas. Denn romantisiert wird die Langeweile gerade von meiner Generation verdächtig oft. Vermutlich, weil die Verdrängung da doch mittlerweile Erhebliches geleistet hat und viele nicht mehr parat haben, wie schlimm sie früher war, diese Langeweile. Und welche Macht sie über uns hatte. In Boulevardmedien könnte man zu den Forschungsergebnissen aber groß titeln: „Wer sich langweilt, stirbt früher“, und es wäre nicht vollkommen falsch.
Es geht in der Sendung auch um die gar nicht so simple Definition der Langeweile, es spricht außerdem ein kundiger Langeweileforscher. Was wiederum ein Beruf ist, den ich zu gerne ebenfalls auf der Visitenkarte gehabt hätte.
Aber zu retten, ach, zu spät.
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September 3, 2025
Weiteres Heranreifen, weitere Verzerrungen
Da Sohn I vor zwei Tagen 18 wurde, können wir ableiten, dass Sohn II heute 16 wird. Was fast ebenso erstaunlich klingt. Der Termin ist allerdings in diesem Jahr etwas schwierig, er hat nämlich das besondere und eher fatale Los erwischt, am ersten Schultag Geburtstag zu haben. Er muss also zum ersten Mal nach der langen Pause wieder früh aufstehen „und all das“. Ich nehme an, viele werden nachvollziehen können, dass er dies für eine besondere und auch etwas unfaire Herausforderung hält. Zumal der Bruder noch in den Ferien Geburtstag hatte.
Ich spare mir in mühsamer Selbstbeherrschung den Hinweis, dass er am selben Tag wie Sohn I Geburtstag hätte haben können, hätte er sich damals nur fahrplanmäßig an seinen Stichtag gehalten. Man muss es leider klug dosieren, wie oft man belehrende Sätze unterbringen kann. Besonders dann, wenn sie gar nichts mehr nützen können.
Oh, und vielen Dank in die Runde übrigens für die gerade erfolgten Zuwendungen an Sohn I!
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Bei der Frischen Brise gibt es im neuen Text einen Absatz mit einem Aspekt, den ich teile. Denn die Gefahr, dass man schnell vergisst und übersieht, was die Generation, die gerade auf Schulabschlüsse zustrebt, für spezielle und dramatische Erfahrungen gemacht hat, sie ist ebenso groß wie naheliegend.
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Noch passend zu meinem gestrigen Text und zum Thema Verzerrungen empfehle ich außerdem dieses arte-Video (29 Min.) zum Thema Erinnerungen. Mit etlichen Grundtatsachen zum Thema, die man vielleicht nicht so parat hat, die ich aber für wichtig halte. Auch wieder in Bezug auf das Schreiben der Wahrheit, wozu gleich noch etwas anzumerken sein wird.
Das Video hier als Link und nachfolgend auch eingebettet. Ich schreibe das immer so seltsam, weil das eingebundene Video manchmal nicht bei allen korrekt angezeigt wird.
Die Quintessenz ist natürlich, dass Erinnerungen nur begrenzt zu trauen ist, so viel wird auch bereits bekannt sein. Aber vielleicht kann man noch einmal zur Kenntnis nehmen, was man womöglich gar nicht so gerne hört, dass aufgerufene Erinnerungen beim Wiederabspielen immer verändert werden – jedes Mal. Man könnte auch etwas länger darüber nachdenken, so faszinierend ist es, wie wir also permanente Überschreiber sind.
Einen der Sätze gegen Ende der Sendung kann man als Erlösung und Rechtfertigung bei diesem seltsamen Thema nehmen. Denn nach den Autorinnen des Clips muss das auch so sein, dieses permanente Überschreiben: Erinnerungen dienen dem Leben, und das bleibt flexibel und wandelbar bis zum Schluss.
Als Autor kann ich etwas ergänzen, was ich vor vielen Jahren mit einiger Verblüffung gelernt habe. Wenn ich in einem Text eine Erinnerung ein wenig abwandle, etwa damit eine Person oder ein Ort, eine Begebenheit nicht mehr perfekt zuzuordnen sind, da ich z. B. keinen Wert darauf lege, dass sich irgendwelche Passanten hier wiedererkennen, wenn ich also, um ein völlig willkürliches Beispiel zu nehmen, aus einem auffälligen roten Pullover einen gelben mache – dann ist er nach dem Tippen gelb. Bzw. war gelb. Ich habe ihn dann so gesehen.
Es wird für mich mit anderen Worten sofort ununterscheidbar, was wahr war und was nicht, wenn ich in einem Text etwas Wirklichkeit variiert habe. Und zwar auch dann, wenn ich genau weiß, was passieren wird, wenn ich darüber sogar nachdenke beim Schreiben. Um deutlich zu machen, wie weit das geht: Es gibt Personen in meinem Leben, deren Namen ich nicht mehr weiß, weil ich ihnen in Texten mal eben einen anderen gegeben habe. Und den haben sie jetzt eben. Sie wissen es nur nicht.
Ich kann verstehen, was da passiert. Der Vorgang ist mir durchaus klar, aber es fühlt sich manchmal doch nach einer kind of magic an. Bei der ich nicht recht weiß, ob sie nun weiß oder schwarz ist, ob es sie auch einer neutralen Version gibt und ob ich sie nicht vielleicht noch exzessiver nutzen sollte …
Einfach nur, weil es geht. Und wissen Sie was, ich spiele es uns doch schon wieder ab, das gute, alte Lied. Es ist ohnehin eines der besten Stücke zum Tagesanfang – vielleicht ja auch für Sohn II heute.
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September 2, 2025
Die Verzerrung ist irgendwo da draußen
Die Kaltmamsell weist hier auf ein Thema hin, das mich auch immer wieder fasziniert, nämlich die Darstellung der uns umgebenden Wirklichkeit in den Medien einerseits, in unserer Wahrnehmung andererseits.
Das haben wir mit unserem kleinen Bahnhofsviertel, das oft – und meist aus eher unerfreulichen Gründen – in den lokalen Medien ist, in etlichen Ausprägungen erlebt. Mal ist es hier viel gefährlicher, mal ist es hier aber auch schöner und noch gentrifizierter, noch szenemäßiger, als es gemäß unserem Erleben ist. Oder zumindest wird es deutlich anders geschildert, als es uns vorkommt. Mal gelten gewisse Sätze als weit verbreitete Meinung der Anwohnerinnen, von denen wir als Anwohnerin und Anwohner nie gehört haben. Und die wir auch nicht teilen. Mal wird in der Gastroszene etwas bejubelt, das uns als weithin bekanntes Schrecknis und üble Touristenfalle gilt, mal wird hemmungslos verrissen, was wir doch gerne aufsuchen.
Das ist aber zumindest aus meiner Sicht nur partiell eine Medienkritik, denn diese Beobachtung gilt selbst für Blogs. Ich lese manchmal Schilderungen von Menschen, die hier durchreisen, bei denen ich mich einen Moment frage, auf welchen Drogen die denn wohl hier durchgelaufen sind. Oder mit welchen Scheuklappen. Ähnlich ging es auch der Kaltmamsell damals, als ich in ihrem München in diesen Trachtenauflauf geriet und darüber etwas schrieb. Meine Erlebnisse waren klischeemäßig so überreizt wie nur denkbar, aber so war es eben. Wenn auch, und das ist es eben, nur genau da und nur genau in der Stunde, in der ich dort war und in der diese seltsame, verschrobene Veranstaltung in dem Biergarten neben unserem Hotel stattfand.
Einerseits spielen, besonders bei den Medien, Verantwortung, handwerkliche Genauigkeit und auch das Berufsethos eine Rolle, versteht sich. Denn Schilderungen sind schnell zu schreiben und furchtbar mühselig langsam zu verifizieren. Wer hat schon die Zeit für Zeitreihen. Genug Kritikwürdiges in dieser Hinsicht ist mir und uns allen vermutlich häufiger begegnet, wo immer wir etwas durch eigenes Erleben verifizieren konnten.
Andererseits ist es aber auch so, dass Sie und ich nun einmal nicht in der gleichen Wirklichkeit leben. Und wir also, selbst wenn wir hier gemeinsam eine Straße entlang gehen würden, hinterher andere Eindrücke, Erfahrungen und vor allem Assoziationen, die dann das Schreiben und Berichten mitbestimmen würden, hätten. Ein Sekundenblick reicht da aus. Eine nimmt den pinkelnden Obdachlosen im Hauseingang wahr und es beschäftigt sie danach noch etwas. Die andere sieht gerade woanders hin, in ein neugestaltetes Schaufenster vielleicht, und lässt damit ein Thema aus. Gewinnt aber prompt ein anderes.
Wie wir im Büro einmal, Jahre ist es schon her, die Nachrichten zu New York verfolgten, wo gerade irgendeine schwere Wetterkatastrophe stattfand. Ich weiß gar nicht mehr, was es war: Blizzard, Starkregen, Orkan, keine Ahnung. Es war jedenfalls etwas Ungewöhnliches, das weltweit für Schlagzeilen, aufregende Bilder und verwackelte Live-Reportagen sorgte. Wir hatten da einen ergiebigen Mailwechsel mit einem Kollegen, der dort in der Mitte des Geschehens saß, wie wir annahmen. Wir fragten besorgt nach der Lage, und er schrieb irritiert: „Was? Hier ist nichts.“
Denn manchmal entscheiden ein, zwei Häuserblocks, entscheiden eine Kreuzung, eine U-Bahn-Station oder eine halbe Stunde, wie die Lage ist. Was mich immer wieder zurückführt zu dem einfachen und doch so schwerverdaulichen Satz: Es ist schier unmöglich, die Wahrheit über das da draußen zu schreiben. Von dem hier drinnen ganz zu schweigen, aber das ist ein anderes Thema.
Man sollte es aber dennoch versuchen, das mit der Wahrheit über das da draußen. Eh klar, man sollte versuchen, sich ihr stets so ernsthaft bemüht anzunähern, wie man es nur vermag. Besonders natürlich, wenn man sich mit der Abbildung der Wirklichkeit beruflich beschäftigt.
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September 1, 2025
Heranreifen und fortleben
Vorweg ein herzlicher Dank für die freundliche Zusendung eines Buches vom Wunschzettel: „Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus“ – Essays von Tanja Maljartschuk (Verlagslink). Die Autorin ist vielleicht bekannt von ihrem Roman „Blauwal der Erinnerung“, der hier auch einmal im Blog vorkam. Sehr fein!
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Außerdem kann ich dazu beitragen, dass Sie sich, besonders dann, wenn Sie hier schon länger lesen, etwas älter oder auch noch herangereifter fühlen. Einfach nur, indem ich Ihnen schon wieder eine Zahl nenne. Wofür ich diesmal eine 18 auftreten lasse, welche für die Jahreszahl steht, die Sohn I heute erreicht hat.
Ja, wir staunen auch. Aber wir haben das jetzt mehrfach nachgerechnet, es ist so.
Und wenn Sie sich für Technik-, Alltags- und Kulturgeschichte interessieren, an Sohn I kann man immer auch das Alter der massentauglichen Smartphones nachlesen. Seit 18 Jahren also haben wir die Dinger nun in den Händen. Dabei wollten wir doch damals nur kurz etwas nachsehen, Sie erinnern sich?
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Gehört habe ich am Wochenende die fast schon in Hörbuchlänge ausgebreitete Bismarck-Geschichte in immerhin vier Folgen beim Geschichtspodcast „Was bisher geschah“, mit Nils Minkmar und Joachim Telgenbüscher. Hier der Link zur ersten Folge.
Mit Bismarck wird man allerdings so leicht auch in vier längeren Folgen nicht fertig. Denn er taugt zweifellos auch als Anschauungsmaterial zur immer wieder interessanten Frage, wie viele Widersprüche und Wendungen bloß in einen einzelnen Menschen passen können. Beim Hören der ersten Folge ging ich in den Supermarkt, und da war er prompt überall auf den Mineralwasserflaschen abgebildet, der olle Bismarck. Als hätte er beruflich hauptsächlich Quellen erschlossen und Getränke abgefüllt.
Dass der maßlose Vielfraß und ausgeprägte Genussmensch heute als Logo ausgerechnet auf Wasserflaschen fortlebt – es ist auch nicht ohne Ironie.
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Und bitte beachten Sie auch diese saisonal angebrachten Gedanken zu einem Star. Kurzgeschichtenkonzentrat.
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August 31, 2025
Märchenziffern und Aufheiterungen
Neulich schrieb ich, dass ich mir bei dem Versuch, wieder mehr in Büchern zu lesen, ein Mindestziel von 50 Seiten pro Tag gesetzt habe. Das war eine beliebig gewählte Zahl. Einigermaßen naheliegend war sie allerdings auch, weil die meisten Menschen bei so etwas nun einmal eher zur 50 neigen, nicht etwa beispielsweise zur 43 oder 54, die ich genauso gut hätte nehmen können.
Jetzt las ich passend dazu in einem Newsletter (von Paul Jun, Kimchi & Gabagool) und dort in einem Text unter der anziehenden Überschrift: „The defense against slop and brainrot“ den folgenden Satz: „I read fifty pages of actual books daily.”
Wenn das jetzt noch ein paarmal verbreitet wird, wenn noch einige weitere Blogs und Medien die Zahl vielleicht aufgreifen und vervielfältigen (eine Handvoll Google-Treffer gibt es bereits dazu), dann wird daraus schnell eine so bekannte und vielleicht sogar weltweit gültige Märchenziffer wie die berühmten 10 000 Schritte pro Tag. Die, wie wir alle wissen, nur angeblich einen wissenschaftlich und durch Studien ermittelten Hintergrund haben. Bei denen es sich vielmehr schlicht um eine eher beliebige Zahlendarstellung handelt. Eine gut merkbare, griffige Größenordnung eben.
Mir ist das sympathisch. 10 000 Schritte fürs körperliche Wohl, 50 Seiten fürs geistige Wohl, das kann man sich merken. Fehlt noch etwas für die Seele, fällt mir auf. Was weiß ich, jeden Tag mindestens fünf Minuten mit einem Lächeln im Gesicht herumlaufen oder dergleichen. Aber nein, wir wollen nicht übertreiben, es darf auch nicht zu schwer sein.
Wie auch immer, Leben nach Zahlen jedenfalls, man muss es keinesfalls ernst nehmen. Wir zählen uns nur wieder die Welt, widde widde wie sie uns gefällt.
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Zur Steigerung der guten Laune könnte man vielleicht auch fünf gute Lieder pro Tag hören. Eines steuere ich heute gerne bei, da es zumindest für meine Stimmung außerordentlich wirksam war. Lange fand ich keinen Text dermaßen erheiternd.
Syd Barrett, das ist die so tragische Figur aus der Frühgeschichte von Pink Floyd, mit dem Bob-Dylan-Blues – es ist grandios. Hier als YouTube-Link, unten auch eingebettet.
“Well, I sing about dreams
And I rhymes it with „seems“
Cause it seems that my dream always means
That I can prophesy all kinds of things”
…
Cause I’m a poet, don’t ya know it
And the wind, you can blow it
Cause I’m Mr. Dylan, the king
And I’m free as a bird on the wing”
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August 30, 2025
Beiläufige Freuden
Das Thema KI und Schreiben behalten wir im Auge. Nach und nach werden sich mehr Autorinnen äußern, hier schreibt Johannes Franzen in seinem Newsletter darüber. Man findet da auch weitere Links zum Thema.
Eine Vorhersage finde ich nicht allzu schwer. Es wird eine moralisch gewichtige Fraktion geben, nach der man das Teufelszeug auf keinen Fall auch nur berühren, ach was, nicht einmal ansehen darf. Es wird eine pragmatischere Gruppe geben, die damit recherchieren und auch Handlungsverläufe sowie Ideen diskutieren optimieren etc. wird.
Und es wird in nicht allzu ferner Zukunft einen Fall geben, sicher bei einem Bestseller, bei dem, und es wird dann ein prächtiger Skandal in den Feuilletons und Talkshows sein, erst nach den jubelnden Rezensionen herauskommen wird, dass zwanzig, dreißig oder mehr Prozent des Textes von einem LLM kommen. Und vielleicht wird sich diese Sensation dann nach langer Prüfung als falsch und ungerechtfertigt erweisen. Nur um kurz darauf durch einen eindeutig echten Fall ergänzt zu werden, worüber dann in der Gesamtschau drei, vier Sachbücher erscheinen werden.
Es ist im Grunde so langweilig erwartbar, man möchte nicht einmal auf etwas wetten.
Währenddessen sah ich in einem Instagrambeitrag von Alke Martens, Professorin für angewandte Informatik in Rostock, die ich mit ihren Statements zu „AI, Ethik und andere Welten“ übrigens empfehle, dass in den USA auf Büchern, die von Menschen, und nur von Menschen, geschrieben wurden, nun das Label „Human authored“ klebt.
Sie weist berechtigt darauf hin, dass „AI Authored“ der deutlich sinnigere Hinweis wäre. Man möchte schon wieder etwas von Zeiten und Sitten knurren.
***
Ich habe als stets sprachinteressierter Mensch eine Weile mit einem Jugendwort ein merkwürdiges Problem gehabt. Und zwar mit dem so häufig zu hörenden „lowkey“. Die Schwierigkeiten lagen zum einen daran, dass die Erklärungen zu diesem Begriff, die ich in den Medien fand und nachlas, sich einerseits manchmal seltsam unterschieden und andererseits auch nicht immer zu dem zu passen schienen, was ich bei den Söhnen und ihren Freunden zu hören bekam. Sie bauten ihre Sätze in etlichen Fällen etwas anders, als es dort stand. Ich wurde zuerst nicht recht schlau daraus. Es war mir alles zu uneinheitlich, und die ewig unzuverlässigen jungen Menschen schienen es auch nicht alle gleich zu verwenden. Das regellose Volk.
Weswegen ich es einigermaßen erheiternd fand, was mir gestern eher zufällig auffiel, als ich Fontanes „Frau Jenny Treibel“ weiterhörte: In den Berliner Dialogen von 1892, die er da im Roman schildert, verwenden die Figuren das Wort „beiläufig“ auf eine sowohl häufige als auch heute aus der Mode gekommene Weise. Wie überhaupt dieses Wort wohl nicht mehr im regen Gebrauch ist. Aber ich habe es nun eine ganze Weile beachtet, also abgehört, und es ist definitiv so: Das nach der Art von Fontane in den Dialogen platzierte „beiläufig“ kann in jedem Fall gegen das „lowkey“ der Söhne getauscht werden.
Die Sätze behalten stets ihren Sinn und ihre Aussage. Und so eine Erkenntnis ist dann beiläufig auch eine kleine Freude.
Apropos Sätze, ich habe hier einen sehr gemocht: „Walken durch fremde Städte und Parks immer so ein Gefühl wie ein Gang durch die Welt einer Kinderzeichnung, wo alles flächig gemalt ist und einfache, unhintergehbare Namen trägt: Baum, Haus, Auto, Katze, Frau, Mann.“
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August 29, 2025
Unordnung und frühe Links
Einige wild gemischte Links. Mir kommt es vor, als könnte man zu diesem oder jenem Thema auch mehr schreiben, aber die Zeit, die Umstände, die Aufgaben. Da waren sie wieder, meine drei Probleme.
Eine kurze Radiosendung vorweg: Schreiben als Denkwerkzeug. Es geht darin trotz der Kürze, fünf Minuten sind es nur, über das bereits sattsam erforschte und verbreitete „Handschrift hilft der Erinnerung“ hinaus. Wenn Sie auch irgendwie und mit irgendwas schreiben, dann werden Sie das eben hören wollen. Schon wegen der äußerst befriedigenden Aussage, dass Schreiben kognitiv anspruchsvoller als Schach sei. Sie können sich vielleicht vorstellen: Sehr gerne gehört.
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Und gleich noch so eine Sendung, bei der ich versprechen kann, dass sie interessanter ist, als der Titel vermuten lässt: Neo-Ludditen – Schluss mit technologischem Fortschritt. Mit 34 Minuten fällt dieser Beitrag etwas gründlicher aus.
Es ist aber auch ein Thema, über das man zwanglos noch weiter nachdenken kann und auch möchte, zumal die Abwendung von Technologie als Trend bei diversen Gruppen gerade wieder steilgeht. Was ich hier nur feststelle, ohne mich in der Meinung festzulegen.
Mein eigener ludditischer Ansatz, wenn ich den denn überhaupt habe, geht gerade eher vom Positiven aus, ist also gedreht: Ich wende mich etwas zu, nicht von etwas ab. Etwa indem ich wieder deutlich mehr lese. Es fühlt sich anders an, wenn man das als positive Bewegung auf ein Ziel hin versteht, nicht als Abwehr von etwas.
Es ist ein anderer Gemütszustand. Oder zumindest kommt es mir überzeugend so vor, und das reicht mir selbstverständlich aus.
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Geschlossen, weil traurig. Ich mag solche Schilder sehr. Inklusive der faszinierenden Schreibfehler, über die ich mich nicht erheben möchte. Die bei mir allerdings manchmal ähnlich wie ein Ohrwurm hängenbleiben.
Hier um die Ecke ist ein Restaurant, bei dem schon seit Tagen handschriftlich auf einer Tafel vor dem Haus „Schitzel mit Pommes“ beworben werden. Und wenn ich noch ein paar Tage lang das Wort Schitzel im Vorbeigehen lese, dann heißen die künftig bei mir auch so, die Schnitzel. Und zwar ziemlich lange, ich kenne das, siehe Uralub.
(Plötzlich Hunger. Schlimm.)
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Zwischendurch auch wieder die Sätze aus den USA beachten: „Schwer zu begreifen, dass das Leben nicht zum völligen Stillstand kommt.“
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Der folgende Link ist ausdrücklich nur für Internet-Greisinnen und -Greise mit ausgeprägter Damals-Kenntnis interessant, die sich vielleicht kurz erinnern möchten: Typepad wird deaktiviert.
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Gelesen habe ich zwischenzeitlich das Buch von Uwe Timm über seinen Freund Benno Ohnesorg. Hier der Wikipedia-Link dazu. Es war etwas ungünstig, das Buch direkt nach seinem „Alle meine Geister“ (Perlentaucherlink) zu lesen, weil es leider erheblich viele gedoppelte Textstellen gibt.
Aber was soll’s, das Buch war schmal und ich kam schnell durch. Und habe jetzt jedenfalls ein interessantes Bild von diesem Benno Ohnesorg im Kopf. Auch von der Zeit, in der die beiden Freunde waren. Ein Bild habe ich, das deutlich über lexikalisches Wissen hinausgeht, und genau das war erstrebt. Mission complete.
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Da mir die Sechziger gerade häufiger begegnen, habe ich auf arte mit der dänischen Serie „Carmen Curlers“ begonnen, in der es um die Erfindung der elektrischen Lockenwickler geht. Ein hervorragendes und endlich mal auffällig vom Durchschnitt abweichendes Thema und eine Serie, die leider etwas übersehen und unterschätzt wird. Soweit ich es mitbekomme.
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Im Rahmen meiner Mitgliedschaft im Freundeskreis „Fontane-Ultras“ höre ich auf den Spaziergängen gerade „Frau Jenny Treibel“. Die wiederum in der ARD-Audiothek verfügbar ist, gelesen von Regina Münch.
Noch einmal ein Werk mit einer nur begrenzt sympathischen Hauptfigur, wie neulich erst doppelt bei Somerset Maugham, in seinen Romanen „Theater“ und „Silbermond und Kupfermünze“. Egal, das denke ich morgens vorm Spiegel auch immer, dass ich da ein Werk mit einer nur begrenzt sympathischen Hauptfigur sehe.
Es passt also schon, ich kann damit umgehen.
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August 28, 2025
Summer’s end
In mindestens vier der von mir gelesenen Blogs wurde der Herbst in den letzten Einträgen erwähnt. Mehrfach kam er in dieser Woche auch auf Mastodon und Bluesky vor. Ich gehe also nicht mehr vor und bin gefühlt wieder im Mainstream der Saisonwahrnehmung. Es dürfte eine wenigstens vorübergehende Normalisierung sein.
Das erste Lebkuchenbild sah ich selbstverständlich auch bereits, es versteht sich fast von selbst, jährliche Rituale. Aber da klingt bei mir noch nichts an, da mache ich emotional nicht mit.
Das Licht wurde anders, so schrieb man in den Blogs, oder es fehlte zu gewissen Tageszeiten ganz. Die Temperatur ging außerdem runter, besonders nachts fiel es auf. Man zog mehr und andere Kleidung an, und irgendwas in der Stimmung war auch auf einmal anders, auf eine grundsätzliche Art. So hieß es da, in den diversen sozialen Medien.
Wenn ich vom Fenster aus auf den Spielplatz hinuntersehe, fallen die paar Blätter auf, die im Gebüsch am Rande des Platzes gelbe Markierungen darstellen. Nur wenige sind es. Aber so leuchtend im Farbton, dass man als Betrachter nicht eben dezent auf das Ende des Sommers hingewiesen wird und die Regieanweisung für den Kulissenbau vorstellbar wird: „Frühherbst muss klar erkennbar sein.“
Na, meinetwegen gerne.
Nach alter Tradition singt hier jedenfalls John Prine einen Song von seinem letzten Album, wenn der Sommer endet, denn das gehört so. Im todtraurigen Video, wenn Sie es vielleicht noch nicht kennen, wird Bezug auf Drogenkonsum und Drogentod genommen. Das passt in diesem Stadtteil ohnehin immer und ist keineswegs weit weg.
Der nächste Mensch, der in diesem Kontext mitgedacht werden kann, wird vielmehr jetzt gerade, und ich schreibe es ohne jede Übertreibung, in einem Umkreis von 100, vielleicht 200 Metern da draußen irgendwo auf der Straße herumliegen und auf eine sehr andere Art als ich über kälter werdende Nächte nachdenken.
Mehr zum Song hier.
Der junge Mann, der sich da im Video neben ihnsetzt und mitspielt, ist sein Sohn.
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Frau Novemberregen schreibt hier über nervige Technik und landet gedanklich auch bei: „Ich hatte immer gehofft, Technik wird einfacher. Dass man alles immer mehr verkomplizieren muss, wegen Sicherheit, finde ich außerordentlich misslich. Vielleicht werde ich irgendwann in Frührente gehen, weil ich mich nicht mehr dazu aufraffen kann, auf die Dinge zuzugreifen und dabei an verschiedene Spielchen wie Passwörter, Codes, Captchas, PINs etc teilzunehmen.“
Das kann ich gut nachvollziehen, sehe aber auch, wenn man es nur ein wenig mehr ins Private verschiebt, dass dies einer der möglichen Wege ist, wie auch unsere Generation irgendwann nicht mehr am aktuellen Technikgeschehen teilnehmen und irgendwann fast unweigerlich die Enkel fragen wird, wie das denn geht heutzutage, wie man wo reinkommt und was wie zu tun ist …
Es wird sich mit großer Selbstverständlichkeit so ergeben, nehme ich an. Schon damit auch unsere Enkel die Köpfe schütteln können und zu Weihnachten unsere Hardware justieren dürfen.
Und wir werden daneben sitzen, ihnen eine Weile zusehen und uns dabei mit mildem Erstaunen an die Erhabenheit erinnern, mit der wir das neulich noch bei unseren Eltern gemacht haben und leise murmeln: „Well, that escalated quickly.“
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