Epochale Anmerkungen

Als hätte es überhaupt noch eines weiteren Beweises bedurft, dass ich schwerlich als Intellektueller durchgehen kann, obwohl auch das doch einmal ein Berufswunsch von mir war, bis ich, wenn auch verdächtig spät, bemerkt habe, dass ich dafür im Hirn zu schwach und leider auch nur unzuverlässig flackernd ausgeleuchtet bin, habe ich gerade bemerkt, dass ich das Wort „metamodern“, das irgendwo stand, als sei es ein normaler Begriff unter anderen, gar nicht kannte.

Kaum hat man sich mühsam gemerkt, was die Postmoderne ausmacht, geht es schon wieder weiter da draußen. Einigermaßen hektisch geht es zu in der Geschichte. Ich habe das dann selbstverständlich nachgelesen, dieses attraktiv wirkende Fremdwort, an diversen Stellen, etwa hier in der Wikipedia. Dann habe ich es mir auch zusammenfassen lassen, wie man es heute so macht.

Eigentlich aber hatte ich gar keine Zeit dafür. Daher habe ich das alles nur quergelesen und im Überflug zur Kenntnis genommen, aber es kam mir doch ein Gedanke dabei, den ich eben festhalten wollte. Denn wenn ich es richtig verstehe, was dummerweise aber keine lediglich rhetorische Einschränkung ist, dann sind etliche deutschsprachige, eher allgemein herumdenkende und anmerkende Blogs, auch dieses hier, recht klar als metamodern zu verorten. Das passt doch fast alles, was ich da auf Anhieb finde: „Es ist in Ordnung, nach Werten und Sinn zu suchen, auch wenn wir weiterhin skeptisch sind.“

Ja, guck an! Da kann oder muss man also schon wieder die Visitenkarten ändern lassen. Aber es klingt auch gut, finde ich: „Maximilian Buddenbohm, metamoderne Texte“. Einen gefälligen Klang hat das, eine angenehme Silbenfolge, okay, das nehme ich. Es sei denn, aus den Reihen des intellektuell befähigten Publikums hier weist jemand nach, warum das krass falsch sein könnte. Was mich, versteht sich, auch nicht überraschen würde.

Es ist doch gut, wenn man weiß, wo man hingehört. Hatten etwa die geschätzten Barockdichterinnen und -dichter wohl parat, dass sie zur Barockdichtung gehörten?  Nein, das hatten sie nicht. Zwei Jahrhunderte später hat man erst festgestellt, was sie eigentlich waren. Bis dahin nannte man sie allgemein nur „Die Dichterinnen und Dichter aus der Epoche, für die uns noch kein Name eingefallen ist“. Aber das war eine ausgesprochen unhandliche Bezeichnung und man war besonders im Bibliothekswesen irgendwann nachvollziehbar erleichtert, endlich zum Barock wechseln zu können.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Alles ist eitel

Wir haben uns zügig weiterentwickelt und sind nun viel schneller in der Einsortierung. Wir können uns heute noch zu Lebzeiten erfreulich einfach epochal verorten und in einem Kapitel einrichten. Wobei wir die Möglichkeit künftiger kulturgeschichtlicher Revisionen erst einmal ausblenden, alles hat Grenzen.

Schlag nach bei Gryphius, denn bei uns in der Metamoderne verbinden wir gerne das Alte mit dem Neuen und oszillieren zwischen den Welten und Polen:

„Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein …“

Für Menschen mit Sinn für Ordnung und Systeme aber ist die Entwicklung unterm Strich doch ein Fortschritt, möchte ich meinen.

***

Die Kaltmamsell schreitet währenddessen herbstlich voran und meldet aus München ersten Nebel. Ich schließe mich für Hamburg an, mit welcher Klammer wir dann so ungefähr das ganze Land vernebelt haben. Vorausgesetzt, das Dazwischen verhält sich nicht seltsam abweichend.

Ich kann noch den besonderen Glücksumstand ergänzen, dass ich den ersten Nebel aus dem Küchenfenster sah, als mir Robert Louis Stevenson gerade per Vorleser Londoner Nebel beschrieb.

Und synchronisierte Effekte zwischen Hörbuch und Welt, meine Damen und Herren, da kribbelt es bei mir dann bei mir manchmal im Rückenmark. Und das ist sehr gut so.

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Published on September 10, 2025 21:13
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Maximilian Buddenbohm
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